Kontinuität in Bethlehem

Kontinuität in Bethlehem


Blickpunkt Bethlehem, Nr. 70 - Interview

Ein Bethlehemer mit internationaler Erfahrung übernimmt die medizinische Leitung des Spitals.
Foto: © Meinrad Schade

Der pädiatrische Pulmologe Dr. Ra’fat Allawi wird am 1. August 2024 die medizinische Leitung im Kinderspital Bethlehem übernehmen. Er freut sich, dass kranke palästinensische Kinder demnächst auch in der Tageschirurgie erstklassig behandelt werden. 

Interview: Richard Asbeck

Viele unserer Spenderinnen und Spender kennen Sie aus den Patientengeschichten. Wie war Ihr Werdegang?

Ich komme aus Bethlehem, bin hier aufgewachsen und habe in Jerusalem an der Al-Quds-Universität Medizin studiert. Meine erste Stelle als Arzt habe ich gleich im Caritas Baby Hospital angetreten und konnte dort einige Jahre Berufserfahrung sammeln.

Wie haben Sie sich dann spezialisiert?

Meine fachärztliche Ausbildung im Bereich Pädiatrie habe ich in einem der führenden Spitäler in Jordanien erhalten. Anschliessend wurde ich im Hadassah-Spital in Jerusalem zum Pulmologen fortgebildet. Das war eine anstrengende Zeit, denn parallel habe ich an meinen freien Tagen weiterhin in Bethlehem gearbeitet. Aber es war auch sehr fruchtbar: Zusammen mit dem Team haben wir die fachliche Kapazität des Kinderspitals weiterentwickelt, besonders in der Intensivmedizin.

Mit dieser breiten Erfahrung können Sie die Stärken des Kinderspitals gut beurteilen.

Bei uns profitieren die kranken Kinder und ihre Familien von einer Gesundheitsversorgung, die aus meiner Sicht in Palästina einzigartig ist. Zum einem sind wir absolut prozessorientiert: Jeder Behandlungsschritt ist festgelegt und wird laufend dokumentiert. Gleichzeitig ist unser Team empathisch und stellt das Kind ins Zentrum der Behandlung. Beides prägt das Klima im Spital, die Qualitätsorientierung und das Menschliche.

Was ist das Herausfordernde an Ihrer Arbeit?

Die Herausforderungen werden immer grösser. Seit dem Krieg in Gaza haben auch hier im Westjordanland viele Familien kein Einkommen mehr. Manche können sich eine medizinische Versorgung kaum noch leisten. Zum Glück hilft unser Sozialdienst und übernimmt den finanziellen Selbstbehalt der ärmsten Familien.

Welche weiteren Herausforderungen sehen Sie und wie begegnen Sie ihnen?

Gegenwärtig gibt es in Palästina keine ausreichende kindermedizinische Betreuung. Deshalb entwickeln wir die fachärztlichen Kapazitäten immer weiter fort, zum Beispiel mit dem Projekt Tageschirurgie. Wir wollen noch viel mehr Kinder kindgerecht behandeln. Das Spektrum an kindgerechter Versorgung hier in Palästina muss weiter wachsen.

Die Eröffnung der Tageschirurgie ist für Oktober 2025 vorgesehen.

Wir befinden uns schon inmitten der Umsetzung der Pläne – dank der vielen grosszügigen Spenden aus Europa. Das Projekt fordert von uns allen einen hohen Einsatz, nicht nur von den Spenderinnen und Spendern oder dem Management. Aus medizinischer Sicht gilt: Die chirurgischen Behandlungen müssen in die anderen Prozesse eingebunden werden. Das bedeutet viel Arbeit. Aber dies mitgestalten zu dürfen, ist für mich ein sehr grosses Privileg.

 

Teilen